In diesem einjährigen Projekt wollen wir versuchen, sowohl die ästhetische Methode und Mode des Faltens und die damit einhergehende architekturtheoretische Debatte, die das avancierte Bauen der neunziger Jahre dominierte, als auch das Denken eines Architekten (Peter Eisenman), der schon bald im Zentrum dieser Debatte stand, im Rahmen mehrerer Seminare und Lektürekurse nachzuvollziehen und zu begreifen. Es besteht weder die Pflicht noch die Notwendigkeit, an all diesen Veranstaltungen teilzunehmen; den Studierenden aber, die tiefer in eine Thematik einsteigen möchten, die einen Glanzpunkt in der Theorie und Praxis der postmodernen Architekturavantgarden markiert, möchte ich die Möglichkeit bieten, dies über einen längeren Zeitraum zu tun.
In diesem Sommersemester werden wir entgegen der gängigen Praxis, sich das Thema Faltung im Schnelldurchgang durch einige wenige einschlägige Texte zu erschließen, uns ausgiebig mit dem Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) beschäftigen, der Philosoph, Theologe, Logiker, Mathematiker, Sprachforscher, Naturforscher, Politiker und Ingenieur etc. war und uns die ganze „Falterei“ eingebrockt hat. Nicht direkt zwar, aber durch die emphatische Vermittlung des französischen Poststrukturalisten Gilles Deleuze, der 1988 das viel diskutierte Buch Le pli. Leibniz et le baroque („Die Falte. Leibniz und der Barock“) vorlegte – ein Ergebnis seiner intensiven Beschäftigung mit dem Barockgelehrten, dessen spekulatives Denken eine Fundgrube ist für radikale Aktualisierungsversuche.
Parallel zum „Leibniz-Seminar“ findet ein Lektürekurs statt, in dem wir uns mit dem jungen Peter Eisenman beschäftigen und gemeinsam seine Dissertation „Die Formale Grundlegung der modernen Architektur“ (1963) lesen. Sie endet mit Analysen von zwei Gebäuden seines Vorbildes Giuseppe Terragni und eröffnet uns so die Möglichkeit, einen Blick in Eisenman’s letzte große Buchveröffentlichung: Guiseppe Terragni. Transformations, Decompositions, Critiques (2003) zu werfen, die den Faden seines Erstlingswerk wieder aufnimmt, nachdem er sein besonderes Verhältnis zur leibnizianisch-deleuzeschen Maschinentheorie definiert und in Begriffen wie der Faltung und des „Interstitiellen“ fixiert hatte.
Mit dieser Bemerkung bin ich schon im Wintersemester angekommen, in dem wir uns in der Fortsetzung des Lektürekurses mit Eisenman’s Schriften aus den 90iger Jahren zuwenden, die, wie etwa „Die Entfaltung des Ereignisses. Unfolding Frankfurt“ (1991) oder „Visions’ Unfolding“ (1992), uns exemplarisch vor Augen führen, wie und warum sich ein bauender und theoretisierender Architekt von der zeitgenössischen Philosophie inspirieren lässt. In der Fortsetzung des Seminars trauen wir uns dann endlich an Deleuze und sein Faltenbuch und machen uns zugleich mit Greg Lynns legendärem Sammelband Folding in Architecture (1993) vertraut, der vor drei Jahren neu aufgelegt wurde, aber auch mit Publikationen von Bernard Cache u. a. experimentellen Architekten. Am Ende werden wir wissen, wovon andere nur reden.
Projekt: Architektonisches Falten/Peter Eisenman
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asli