Nachruf Wolfgang
Schwinge
Völlig unerwartet und plötzlich ist
unser lieber Freund und Kollege Prof. Dipl.-Ing. Wolfgang Schwinge nach kurzer
Krankheit verstorben. Er studierte in den späten 60er und frühen 70er Jahren
Architektur und Stadtplanung an den Universitäten Braunschweig und Stuttgart.
Hiernach arbeitete er mehrere Jahre als Planer in Kairo und wurde
Gesellschafter von ORplan, wo er bis zuletzt als Städtebauer und Stadtplaner
tätig war. Bereits seit 1982 unterrichtete Wolfgang Schwinge an der
Architekturfakultät der Universität Stuttgart. 1998 wurde er für das Lehrgebiet
“Städtebauliche Leitlinien der Moderne“ am
Institut
Grundlagen moderner Architektur und Entwerfen (Igma) zum Honorarprofessor
ernannt. Im gleichen Jahr war Werner Durth, der Nachfolger auf dem Lehrstuhl Jürgen
Joedickes, an die TU Darmstadt gewechselt. Wolfgang Schwinge übernahm nun für
zwei Jahre die kommissarische Leitung des Igma, bis ich nach Stuttgart kam. Von
da an war er für die Städtebautheorie und ich für die Architekturtheorie
zuständig. Unsere Arbeitsteilung funktionierte bestens und geradezu kongenial,
da seine Seminare „Zum Bild der modernen Großstadt in Literatur, Film und
Comic“ oder „Zum Mythos der Stadt“ u. v. a. m. wunderbar zum Igma passten.
Nach dreißig Jahren verabschiedete
sich Wolfgang Schwinge aus der Lehre. Zu diesem Anlass fand am 8. November 2013
die Vortragsveranstaltung „Alles war nur graue Theorie“ statt, in der seine
ehemaligen Studenten auf seine Lehre reflektieren sollten. Diese Art der
Selbstkritik war typisch für einen, der seinen Abschiedsvortrag zum Thema „Was
ich wollte und was daraus geworden ist“ hielt. Aus Sicht des Instituts bestand
Wolfgang Schwinges bedeutendster Beitrag darin, im WS 1989/99 als Resümee des
dreißigjährigen Bestehens des Igma ein hochkarätig besetztes Symposium organisiert
und geleitet zu haben, an dem u. a. Frei Otto, Jörg Schlaich, Jean Louis Cohen
und Rob Krier teilnahmen. Die Vorträge publizierte er im Jahr 2000 in dem Band Positionen, den er mit einem Aufsatz
einleitete, der das Igma seinem Gründungsjahr 1968 verpflichtet. Ich hoffe, er
musste niemals befürchten, ich hätte mich dieser Verpflichtung zuweilen
entziehen wollen.
Wir alle am Igma vermissen Wolfgang
Schwinge schon seit seinem Weggang gewaltig, doch stand er uns ja weiterhin als
aufmerksamer Gesprächspartner, kritischer Wegbegleiter und Ratgeber zur Seite. Nun
ist er nicht mehr da. Sein unerwarteter Tod schockiert und berührt uns auf die
schmerzlichste Weise. Wir haben einen klugen, besonnen, aber auch sehr
liebenswerten, humorvollen und gänzlich unersetzlichen Freund und Kollegen
verloren. Die fachliche und menschliche Lücke, die Wolfgang Schwinge
hinterlässt, wird sich nicht mehr schließen lassen.
Gerd de Bruyn, 08.03.2017